Kann Sport eine Schwangerschaft fördern oder verhindern? In Ausnahmefällen ist beides möglich. Wohin das Pendel ausschlägt, hängt größtenteils von Trainingsintensität und Körperkonstitution ab.
Ein Spermium in seinem Lauf hält weder Crunch noch Seilzug auf: Sport hat natürlich keinen unmittelbaren Einfluss auf das Zustandekommen einer Schwangerschaft. Er kann die männliche Samenzelle weder in die Irre führen noch ihr den Weg weisen. Die körperliche Aktivität kann aber darüber mitentscheiden, ob überhaupt eine befruchtbare Eizelle verfügbar ist. Sport ist somit unter bestimmten Voraussetzungen menstruationsrelevant. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Gewicht der Frau.
Am einfachsten liegt der Fall bei normalgewichtigen Frauen mit einem ebenso normalen Sportprogramm. Letzteres liegt vor, wenn maximal jeden zweiten Tag und allenfalls gelegentlich bis zum Erreichen der Leistungsgrenze trainiert wird. In dieser Konstellation hat Sport meist keinerlei Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Gewichtstechnisch ist damit gut jede zweite safe. Dieser Status wird nur gefährdet, wenn das Training zu exzessiv wird. Bevor wir dazu kommen, zunächst ein Blick auf die beinahe gleich große Gruppe derjenigen, die zu viel oder viel zu viel Gewicht mit sich herumschleppen.
Ein hartnäckiges Vorurteil lautet, dass fülligere Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts besonders gebährfähig sind. Der weit verbreitete Glaube beruht vermutlich darauf, dass es bei ihnen öfter zu Mehrfachgeburten kommt. Je älter, größer und schwerer die Mutter, desto höher die Wahrscheinlichkeit, Zwillinge, Drillinge (oder gar noch mehr Kinder gleichzeitig) zu gebären. Insgesamt wird Übergewicht hinsichtlich der Geburt aber kritisch gesehen. Schwere Mütter bekommen eher schwere Kinder und gerade Adipöse weisen eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für Kaiserschnitt-Anwendungen und Missbildungen des Kindes auf. Und auch das Fortpflanzungsvermögen kann in Mitleidenschaft gezogen werden.
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die häufig durch körperliche Inaktivität ausgelösten Risikofaktoren Übergewicht und Adipositas (BMI über 25 bzw. 30) das Eintreten einer Schwangerschaft erschweren. Adipöse Frauen haben im Vergleich zu normalgewichtigen eine circa dreifach erhöhte Wahrscheinlichkeit, Fruchtbarkeitsprobleme zu bekommen. Dies liegt in erster Linie daran, dass das Fettgewebe nicht nur ein einfacher Speicher überschüssiger Kalorien, sondern auch ein hormonell sehr aktives Organ ist. Speziell bei vermehrten Fettablagerungen im Bauchbereich kommt es zur Ausschüttung zahlreicher Hormone und Botenstoffe, durch die das Fettgewebe sehr viele andere Organsysteme beeinflusst. Bekannt sind etwa Auswirkungen auf Bauchspeicheldrüse, Leber, aber auch auf die Steuerzentrale der Sexualhormone, dem Zwischenhirn mit der Hirnanhangdrüse. All dies erklärt eine mögliche negative Beeinflussung der Eierstockfunktion.
Eine Untersuchung aus den USA 2) stellte fest: Moderater Sport ist unabhängig vom BMI mit kleinen Verbesserungen hinsichtlich der Fähigkeit, schnell schwanger zu werden, verbunden. Die Studienergebnisse legen insgesamt nahe, dass sportliche Betätigung jedweder Art, die tendenziell gefährdete Fruchtbarkeit von übergewichtigen Frauen erhöhen kann. Auch schlanken Frauen wird Bewegung empfohlen, denn bei ihnen gibt es eine klare Wechselwirkung zwischen steigender körperlicher Aktivität und der Zeitdauer bis zum Schwangerschaftseintritt.
Ein steigendes Risiko für reproduktive Fehlfunktionen bei Leistungssport betreibenden Frauen ist durch zahlreiche Untersuchungen ausreichend belegt. Wie sieht es aber bei Sportnormalverbraucherinnen aus? Dieser Thematik widmete sich eine an der Norwegian University of Science and Technology in Trondheim durchgeführten Forschungsarbeit 2). Die Zahlenbasis lieferte die North-Trøndelag Health Study (HUNT) als größte Sammlung von Gesundheitsdaten der norwegischen Bevölkerung. Eines der Ergebnisse lautet: Stark aktive Frauen laufen in Gefahr mit unregelmäßigem Menstruationszyklen und wachsendem Unfruchtbarkeitsrisiko konfrontiert zu werden. Die Wahrscheinlichkeit, darein zu geraten ist dreimal so hoch, wie bei moderat Aktiven. Als besonders problematisch stellte sich beinahe tägliches Training und bis zur Erschöpfung betriebener Sport heraus: Unfruchtbarkeit stellte sich bei jeder Zehnten, die täglich sportlich stark aktiv war und bei jeder Vierten, die bis zur Erschöpfung trainierte, ein – am stärksten betroffen war dabei die Alterskohorte der unter 30-Jährigen. Es gibt aber auch gute Nachrichten für die (zu) intensiv Sporttreibenden – die Fruchtbarkeit kann zurückkommen, wenn das Training reduziert wird. Die meisten von zwischenzeitlicher Unfruchtbarkeit Heimgesuchten wurden letzten Endes doch noch schwanger. Der Kindersegen war sogar im Schnitt größer als bei den moderat Trainierenden.
Warum genau kann zu viel Sport schaden? In erster Linie, weil er das Body Energy Level ungünstig beeinflussen kann. Das Training verlangt dem Körper dann derart viel ab, dass eine gleichzeitige Vorbereitung auf eine Schwangerschaft schwierig wird. Zudem neigen Trainingseifrige dazu, auch noch ihre Ernährung einzuschränken. Kommt beides zusammen, liegt unter Umständen ein Syndrom vor, das als Relativer Energiemangel im Sport oder kurz RED-S (Relative Energy Deficiency in Sports) bezeichnet wird. Eine britische Studie 3) bestätigt: RED-S entsteht aus einer niedrigen Energieverfügbarkeit (LEA/Low Energy Availability), die aus Übertraining und einer negativen Kalorienbilanz resultiert. Ob RED-S überhaupt diagnostiziert wird, ist dabei fraglich: Das Problemfeld ist wenig bekannt, Anzeichen werden häufig nicht erkannt und absichernde Verfahren stehen kaum zur Verfügung. Auch das Phänomen des „Female Athlete Triad”, das als eine Ausprägung des RED-S eingeordnet wird, verdient hier eine Erwähnung. Das durch exzessives Training geförderte Krankheitsbild liegt vor, wenn die Komponenten Essstörung, Osteoporose und Zyklusstörung gleichzeitig auftreten.
Zurück zur norwegischen Studie. Sie offenbarte auch, dass inaktive Frauen und solche mit sehr geringen sportlichen Engagement ebenfalls mit menstrualen Fehlfunktionen und, verglichen mit Aktiven, einem früherem Menopausenbeginn zu kämpfen haben. Zudem gab es unter den über 40-Jährigen in der Vormenopausenphase, die eine elfjährige oder längere Sportvita aufwiesen, weniger Komplikationen bezüglich Gewicht, metabolischem Profil und Körperfettverteilung als bei gar nicht oder gering Aktiven. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass zum Erhalt des normalen Fortpflanzungsvermögens zumindest geringe körperliche Aktivitäten notwendig sind. Steigen diese – ohne auszuarten – an, stellt sich zwar womöglich ein auf Menstruationsfunktion und Fruchtbarkeit bezogener kritischer Energieverlust ein, dieser kann aber fast immer durch die metabolischen Benefits des Sports wettgemacht werden.
Ein wichtiger Indikator für die Fruchtbarkeit ist der Anteil des Körperfetts an der Gesamtmasse des Bodys. Ist er zu hoch, wird es kritisch. Zu niedrig ist aber auch nicht gut: 17 Prozent ist der Wert, den es (wissenschaftlich abgesichert) mindestens zu erreichen gilt, um problemlos schwanger werden zu können. Bei mangelnder Energiezufuhr durch Übertraining, Unterernährung oder einer Kombination von beidem wird diese Zahl womöglich nicht mehr erreicht. Der Körper schaltet in den Überlebensmodus und fährt verzichtbare Prozesse weitgehend herunter. Dies betrifft auch Mechanismen, die für eine Befruchtung nötig sind. Das Luteinisierungshormon, das den Eisprung auslöst, wird nicht mehr erzeugt und die Ovarien geben weder ein Ei ab noch setzen sie Östrogen oder Progesteron frei. Die Menstruation bleibt dauerhaft aus, eine Reaktion die medizinisch als Amenorrhö bezeichnet wird.
Es ist übrigens nicht der Sport allein. Auch andere starke körperliche Belastungen können den Hormonhaushalt durcheinander bringen und Zyklusstörungen auslösen. Dazu gehören unter anderem Schwer- oder Schichtarbeit und Schlafmangel. Dazu, der Vollständigkeit halber, noch eine Auflistung weiterer Unfruchtbarkeits-Risikofaktoren:
- Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum
- Schilddrüsen-, Nieren-, Leber-, Stoffwechsel-, Krebs-, Gebärmutter- und Ovarienerkrankungen
- Einnahme bestimmter Medikamente (Bluthochdruck-, Depressions-, Tumorbehandlung)
Fazit
Auch die Fruchtbarkeitsthematik bestätigt: Übergewichtigen ist mehr Bewegung praktisch immer zu empfehlen. Schlanke Frauen müssen bei Kinderwunsch meist nicht das Übungsprogramm umstellen, es sei denn sie übertreiben es deutlich. Einen Hinweis darauf liefern Menstruationsbeschwerden.
Tückisch: Ein Zusammenhang mit Übertraining wird von Ärzten nicht zwangsläufig erkannt. Richtig dosiert bringt körperliche Aktivität fast allen Vorteile. Maßvolles, ambitioniertes und regelmäßiges Training hält den Körper fit, was sich beim Gros der Frauen auch günstig auf das Fortpflanzungsvermögen auswirkt.