Sarkopenie zeigt sich in einem reduzierten Muskelumfang und in einer geringeren Muskelkraft. Ein herkömmliches Krafttraining mit hoher Intensität ist für Betroffene oftmals nicht durchführbar, da ihre körperliche Belastbarkeit nicht ausreichend ist. Dennoch können sie ihre Muskulatur sicher und effektiv trainieren — auf anderem Wege.
Ab der dritten Lebensdekade nehmen Muskelmasse und -kraft allmählich ab. Dies wird als primäre Sarkopenie bezeichnet (Ableitung aus dem Griechischen mit der Bedeutung „Armut des Fleisches“). Es ist ein unumgänglicher Teil des Alterungsprozesses. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß sind jedoch nicht allein mit dem Alter begründbar. Sogenannte nichtübertragbare chronische Erkrankungen, wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus Typ II, können Sarkopenie forcieren. In diesem Fall spricht man von einer sekundären Sarkopenie, deren Prävalenz deutlich höher ist.
Die tatsächliche Prävalenz ist jedoch unklar. Das hängt damit zusammen, dass unterschiedliche Kriterien zur Definition und Diagnostik bestehen. Wenn die Charakteristika des ersten Leitfadens der European Working Group on Sarcopenia in Older People (EWGSOP1) aus dem Jahr 2010 herangezogen werden, beträgt die Prävalenz laut einer kürzlich erschienenen systematischen Übersichtsarbeit 17,7 Prozent (6,2 bis 35,3 Prozent). Wird dagegen das Update dieses Leitfadens (EWGSOP2) aus dem Jahr 2019 verwendet, dann liegt die Prävalenz bei elf Prozent (3,2 bis 26,3 Prozent). In jedem Fall nimmt sie mit dem Alter zu. Wenn die Prävalenz bei 70-Jährigen 1,4 bis 7,8 Prozent beträgt, dann ist sie bei 85-Jährigen bei 42 bis 62 Prozent.
Sarkopenie geht aufgrund der reduzierten Muskelmasse und -kraft mit Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit und damit der Lebensqualität einher; zudem steigen das Sturzrisiko sowie die Morbidität und Mortalität. Um der Sarkopenie entgegenzuwirken, ist körperliche Aktivität über die gesamte Lebensspanne erforderlich und sollte insbesondere in höherem Lebensalter täglicher Bestandteil sein. Zur Prävention und Behandlung eignet sich speziell Krafttraining. Gerade bei älteren Menschen führen mehrere Methoden zu vergleichbaren Ergebnissen.
Trainingsmethoden
Die National Strength and Conditioning Association veröffentlichte im Jahr 2019 ein Positionspapier für das Krafttraining mit älteren Menschen.
Nach dem Positionspapier ist zur Steigerung der Maximalkraft eine Intensität von 70 bis 85 Prozent des Einwiederholungsmaximums erforderlich. Rein zur Vergrößerung des Muskelumfangs ist dagegen bereits eine Intensität von 50 bis 70 Prozent ausreichend. Entsprechend verhält sich die Wiederholungszahl. Beim Training mit höherer Intensität ist sie mit acht bis zwölf geringer und bei niedrigerer Intensität mit zehn bis 15 höher. Ein Training bis zur vollständigen muskulären Ermüdung ist nicht erforderlich. Anfänger beginnen mit einem Satz pro Muskelgruppe, Fortgeschrittene führen zwei bis drei aus. An der oberen Extremität ist eine Übung pro Muskelgruppe empfohlen, an der unteren Extremität zwei bis drei, um gute Anpassungen zu generieren. Dieses Training sollte zwei- bis dreimal pro Woche absolviert werden, um eine optimale Relation von Belastung und Erholung zu gewährleisten.
Bei dieser hochintensiven Trainingsmethode steht die mechanische Belastung der trainierenden Muskulatur im Vordergrund. Darüber wird auf chemischem Weg die Proteinsynthese stimuliert, was den Muskelumfang und die Kraft erhöht. Aufgrund von individuellen Gegebenheiten kann es jedoch sein, dass diese Methode nicht anwendbar ist. Gerade bei älteren Menschen ist die körperliche Belastbarkeit, beispielsweise durch orthopädische Beschwerden oder Erkrankungen, häufig reduziert. In diesem Fall müssen Trainingsparameter, vorrangig die Intensität, angepasst werden, um die mechanische Belastung zu vermindern.
Yasuda veröffentlichte dazu eine Übersichtsarbeit, in der er verschiedene Trainingsmethoden für das Krafttraining zur Prävention und Behandlung von Sarkopenie verglich. Im Fokus standen hochintensives Krafttraining (H-KT), niederintensives Blood Flow Restriction Training (N-BFRT), niederintensives Krafttraining mit besonders langsamer Bewegungsgeschwindigkeit (N-KTL) und niederintensives Krafttraining bis zur vollständigen Muskelermüdung (N-KTE).
Das Besondere beim Blood Flow Restriction Training ist, dass um die zu trainierenden Extremitäten elastische Bänder gelegt werden, die den venösen Blutfluss unterbrechen und den arteriellen reduzieren. Dadurch kommt es zu einer Abnahme der lokalen Sauerstoffversorgung mit einer Zunahme der Laktatkonzentration. Während des Trainings entsteht somit eine hohe metabolische Belastung der trainierenden Muskulatur, die eine endokrine Reaktion, mit verstärkter Ausschüttung von Wachstumshormonen und -faktoren, zur Folge hat. Dies wiederum stimuliert die Proteinsynthese, was den Muskelumfang und die -kraft erhöht. Weiterhin ist eine verstärkte Rekrutierung motorischer Einheiten zu beobachten. Die meisten Studien zeigen eine vergleichbare Zunahme des Muskelumfangs wie beim hochintensiven Krafttraining, jedoch eine etwas geringere Steigerung der Muskelkraft.
Beim Krafttraining mit niedriger Intensität, in Verbindung mit einer besonders langsamen Bewegungsgeschwindigkeit, kommt es zur vergleichbaren Zunahme von Muskelquerschnitt und -kraft, wie beim niederintensiven Blood Flow Restriction Training. Es ist darüber erklärbar, dass es bereits bei einer kontinuierlichen Kraftentwicklung von 40 Prozent des Ein-Wiederholung-Maximums zu einer deutlichen Reduktion des venösen und arteriellen Blutflusses kommt, ähnlich wie beim Blood Flow Restriction Training mit teils noch geringerer Intensität. Dadurch sind die metabolische Belastung der trainierenden Muskulatur und somit die Wirkung dieser Trainingsmethode vergleichbar. Eine langsame Bewegungsgeschwindigkeit ist etwa ein Rhythmus von 3-0-3, was bedeutet, dass die exzentrische Kontraktion drei Sekunden, die Pause während der Bewegungsumkehr null Sekunden und die konzentrische Kontraktion drei Sekunden dauert.
Auch ein niederintensives Krafttraining über viele Wiederholungen bis zur vollständigen Muskelermüdung führt zu einem vergleichbaren Muskelaufbau, wie die anderen Trainingsmethoden. Ähnlich dem Blood Flow Restriction Training und Krafttraining mit langsamer Bewegungsgeschwindigkeit kommt es durch die hohe Wiederholungszahl primär zur metabolischen Belastung der trainierenden Muskulatur und darüber zur Stimulierung der Proteinsynthese. Es muss jedoch bedacht werden, dass viele Trainierende im Anschluss ein stärkeres Muskelkatergefühl angeben als bei anderen Krafttrainingsmethoden.
Sicherheit der Trainingsmethoden
Krafttraining ist im Allgemeinen sicher – in jedem Alter. Dennoch kann es sein, dass bestimmte Trainingsmethoden für einzelne Menschen nicht geeignet sind, mit anderen die Kraft aber gut trainiert werden kann. Gerade ältere Menschen mit Beschwerden und Erkrankungen erfahren durch ein hochintensives Krafttraining gegebenenfalls Schmerzen. In diesem Fall sind niederintensive Methoden zu bevorzugen.
Beim Blood Flow Restriction Training können in seltenen Fällen kurzfristige leichte Nebenwirkungen wie subkutane Blutungen, Kribbelgefühle und Taubheit auftreten. Starke Nebenwirkungen wie Lähmungen und Embolien sind hingegen nicht beschrieben. Beim niederintensiven Krafttraining mit langsamer Bewegungsgeschwindigkeit oder bis zur vollständigen Muskelermüdung sind ebenso keine bedeutenden Nebenwirkungen zu erwarten.
Nahrungsergänzung
Krafttraining ist die bedeutendste Maßnahme zur Prävention und Therapie von Sarkopenie. Nahrungsergänzungen können die Wirkung des Krafttrainings verstärken. Kakehi und Kollegen beschreiben in ihrer Übersichtsarbeit,
dass es durch eine jeweils zweimal tägliche Einnahme von 20 Gramm Protein und 800 internationalen Einheiten Vitamin D zu einer deutlicheren Steigerung der Muskelkraft und Alltagsfunktion kommt, als wenn jede Maßnahme für sich umgesetzt wird.
Fazit
Zum Aufbau des Muskelquerschnitts und der Muskelkraft stehen mehrere Trainingsmethoden zur Verfügung. Bei reduzierter körperlicher Belastbarkeit sind insbesondere niederintensive Methoden geeignet, um Muskulatur aufzubauen.
Kann über die Zeit auch ein hochintensives Krafttraining toleriert werden, ist dies zu bevorzugen, da es dabei zu einer etwas stärkeren Anpassung der Muskelkraft kommt und auch andere Strukturen wie Sehnen und Knochen effektiver trainiert werden.